15. Oktober 2013

Chame – Lower Pisang

16 km 630 hm

Seit gestern Abend regnet es ununterbrochen. Die Wolken hängen so tief, dass sie uns den Blick auf die Berge komplett versperren – wie ein Deckel liegt die dunkle Wolkendecke auf dem Tal. Das letzte, was wir ausmachen können ist die Schneegrenze, die sich in der Nacht drastisch nach unten korrigierte, und das korrigiert unsere Stimmung gewaltig nach unten.
Zuerst planen wir zu starten, ändern aber unsere Meinung, weil es einfach gar nicht zu regnen aufhören möchte. Wir beschließen in Chame zu bleiben und abzuwarten.

Den Tag nutzen wir zur Regeneration: dem unvernünftig hohen Konsum an Keksen und unendlichem Lesen. Eigentlich hört sich das gar nicht schlecht an, allerdings ist unsere Stimmung nicht gut, wir wollten doch weiterfahren – und was ist hier mit dem Wetter los? Der Oktober sollte doch der perfekte Monat für die Annapurna-Runde sein, weil es kaum Regentage gäbe? Wir verbringen also sehr viel Zeit damit, genau darüber nachzudenken. Antworten gibt es keine, nur die Prognose, dass erst einmal keine Besserung der Wetterlage in Sicht sei – so sagt es uns jedenfalls das Smartphone einer ebenfalls auf Sonnenschein wartenden Wanderin. Auch über das Wetter auf dem Pass bekommen wir erste Informationen: Massen an Schnee und -16 °C. In Worten Minus Sechzehn Grad Celsius. (!!!!) Langsam stellen wir unser Vorhaben, den Pass zu überqueren, in Frage. Hoffentlich macht uns dieses Wetter keinen Strich durch die Rechnung. Wie gesagt, Stimmung gleich Tiefpunkt. Grr.

Am nächsten Tag sieht es zwar noch äußerst ungemütlich aus, die Temperatur bleibt niedrig, aber der Regen lässt etwas nach. Worauf sollen wir warten? Wir packen uns und unseren Krempel Regendicht ein – so Regendicht, wahrscheinlich hätten wir so auch Baden gehen können ohne nass zu werden – und starten.  Wir kämpfen uns also wieder hoch, Richtung Pass, obwohl es mittlerweile schon auf 3.500 Metern Höhe geschneit hat, was zu dieser Jahreszeit genauso ungewöhnlich ist wie dieser Dauerderbstregen …

Trotz der Heute überschrittenen 3000 hm Marke bleibt die Landschaft einem Alpenwald verdammt  ähnlich. Der Weg ist zu 99% fahrbar, sehr, sehr schön und abgesehen von übermäßigem Nahkontakt mit Unmengen an Wasser läuft alles super. Manchmal ist es sogar Möglich, anzuhalten um Fotos zu machen. Wir fangen an Witze über unsere lustige (wasserfeste) Erscheinung und die verregnete Situation zu machen. Wie es aussieht, gewöhnen wir uns langsam an diesen insgesamt doch eher ungemütlichen Zustand …

Auch wenn die meisten in unserer Richtung unterwegs sind, kommt uns heute eine Person entgegen! Auf einer der unzähligen Hängebrücken sehen wir sie uns auf der anderen Seite gegenüber stehen. Nach kurzer Handzeichen-Kommunikation fahren wir zuerst über die Brücke. Auf der andern Seite angekommen, fallen uns fast die Augen aus: ein Radreisender! Das unterkühlte Wesen kommt eigentlich aus Frankreich und war schon auf dem Weg nach unten. Den Thorong La hat er also von der anderen Seite überquert. Die Erleichterung darüber sehen wir ihm an, er funkelt förmlich vor Freude und Glück darüber. Das spüren wir. Auch sind wir beeindruckt, seine Ausrüstung mutet eher Trekkingmäßig an. Das muss ein hartes Stück Arbeit gewesen sein. Wir bleiben ein bisschen stehen, unterhalten uns bis wir weiter ziehen. Ein schöner Augenblick der uns ein bisschen Kraft und Hoffnung spendet. Merci!

Als wir in Lower Pisang ankommen, uns unser Guesthouse suchen, merken wir, wie kalt es eigentlich ist. Kaum bewegen wir uns nicht mehr, fangen wir an zu frieren. Egal, das nette Guesthouse unserer Wahl belohnt uns mit einer heißen (okay, warmen) Dusche und wir fühlen uns gleich pudelwohl. Hier passt einfach alles. Dal Bhat gibt es satt, und ein Ofen spendet Wärme für durchnässte Klamotten und kalte Wanderer oder Biker. Wir genießen die Atmosphäre, quatschen mit den anderen Leidensgenossen und freuen uns darauf wie es weitergeht. Es ist fast unnötig zu schreiben, dass unsere Stimmung um einiges gestiegen ist. Abgerundet wird das Ganze durch den Soundtrack im Gemeinschaftsraum: Bob Dylan. Etwas unwirklich in dieser Gegend, trotzdem gut.

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