20. Oktober 2013

High Camp – Muktinath

14 km 550 hm

Der Tag der Passüberquerung beginnt bereits um fünf Uhr morgens. Nicht, weil wir so früh aufbrechen wollen, eher, weil wir nicht mehr schlafen können. Die schöne Seite des unruhigen Schlafes zeigt sich uns draußen in Form eines grandiosen Schauspiels. Die Wanderer, die schon viel früher in Thorong Phedi gestartet sind, stiefeln durch den frisch gefallenen Schnee am High Camp vorbei.

Die Gruppen können wir schon von weitem in der Dunkelheit sehen, aufgereiht wie Perlen an der Kette funkeln die Stirnlampen der Equipment-Freunde. Die Stimmung ist unwirklich. Die Wanderer, der in der Nacht neu gefallene Schnee, ringsherum die im Vollmond glitzernden Bergketten und die sich breitmachenden Zweifel über die bevorstehende Etappe … Einmalig.

Kurz nach sechs Uhr stehen wir (wieder als letzten) auf und frühstücken im total unterkühlten High Camp. Die Stimmung unter den aufbrechenden Wanderern ist aufgeregt, wir lassen uns ein wenig davon anstecken, genießen es aber. Vor uns liegt ein hartes Stück Arbeit, das lässt sich jetzt nicht mehr leugnen.

Wir packen unsere Sachen und stapfen durch den Neuschnee los. Es geht gleich hart zur Sache. Nach einer kurzer Schiebepassage müssen wir gar unsere Räder Schultern. Die Luft ist noch dünner. Was haben wir am Tag zuvor noch erlebt? 20 Schritte gehen, dann Pause? Heute sind es eher 10 Schritte, die wir am Stück schaffen, bis uns die Puste ausgeht. Und unser gefühltes alter? Verdoppeln wir die 50 Extra-Jahre mal getrost… Plötzlich fängt es wieder zu schneien an und der Wind wird immer heftiger. Auf dem engen Pfad kommen uns die ersten Leute entgegen. „… müssen umkehren … sie spürt ihre Füße nicht mehr… zu kalt … “ war das einzige, was wir aufgeschnappt haben. Wir fragen uns, wie wir das schaffen sollen.

Wir schieben und tragen durch eine endlos erscheinende weiß bis weißgraue Landschaft auf diesem, vom Eis gefährlich rutschigen, Pfad. Uns bleibt einfach die Puste weg. Irgendwann köpfen wir sogar die Not-Cola. Die letzten Tage hatte Krzysztof diese Flasche schon mit sich geschleppt. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, das Koffein und der Zucker sollten uns Flügel verleihen. Und so war es dann auch. Oder war es auch die Nachricht, dass wir nur noch 200 Höhenmeter zu überwinden hatten? Der Pass ist greifbar nah, Krzysztof schwingt sich, den Umständen entsprechend, auf sein Rad und fährt die letzten Meter zum Pass! Oben fallen wir uns in die Arme. Wir haben es tatsächlich und endlich geschafft! Seit einer Woche sind wir jetzt schon dieser Nässe und Kälte ausgeliefert, und jetzt haben wir den höchsten Punkt erreicht. 5.416 Meter über dem Meeresspiegel, ab jetzt darf es nur noch bergab gehen, der wärme entgegen. Unsere Stimmung ist unbeschreiblich.

Hier, an diesem unwirklichen Ort gib es sogar ein kleines Teehaus. Das Angebot nehmen wir dankend wahr und trinken noch einen heißen Tee. Unsere Freude teilen wir mit anderen die auch gerade angekommen sind, manche glücklich, manche einfach nur vollkommen erschöpft … Wir schießen noch ein paar obligatorische Bilder (Beweismaterial!) und los geht’s. Wir freuen uns auf den Downhill.

Zu früh gefreut. Der Weg nach unten ist natürlich auch dem Wetter zum Opfer gefallen. Ähnlich wie auf dem Weg hoch ist es hier auch extrem rutschig, kalt und oft unfahrbar. Wir krallen uns, steif von der Kälte, in unsere Lenker und machen das beste draus. Teilweise klappt’s ganz gut, und wir zirkeln die Serpentinen immer weiter gen Tal. Es wird etwas wärmer, der Schnee wird von Schmelzwasser abgelöst, welches uns auf dem Trail mit nach unten begleitet. In Massen. Es bleibt also eine insgesamt recht anspruchsvolle Abfahrt. Immerhin scheint nun die Sonne, und wir genießen jeden die wärmenden Strahlen. Nach diesem steilen Teil erreichen wir weitere Teehäuser, unser Weg führt ziemlich direkt durch deren Terrassen. Hier treffen wir einige alte Bekannte von den Berghütten wieder und werden mit lautem „Hallo“ begrüßt! Die hatten schon an uns denken müssen, und wie wir es wohl schaffen würden „da“ runterzufahren …

Nach dem netten Stopp fahren wir weiter und genießen einen Hammer-Trail in Richtung Muktinath. Jetzt heißt es Spaß pur. Der Hammer: leicht verblockt, steinig aber trotzdem super zu fahren und unser Ziel kommt immer näher … Nur noch paar Treppen, wunderbar zu fahren und wir sind da. Gleich am Anfang finden wir ein Hotel was sich meilenweit von unseren Unterkünften in letzten Wochen unterscheidet. Sauber, einladend, warm, HEISSE DUSCHE und ein Hauch „zivilisierter“ als in vergangenen Wochen. „Bob Marley Hotel“ heißt das Schmuckstuck und es ist genau die Art angenehmer Abwechslung, die wir jetzt brauchen, um abzuschalten. Sogar die Musik erinnert mehr an zuhause als an Nepal. Das ist natürlich nicht so „echt“ aber so ein kleiner Tapetenwechsel tut uns heute verdammt gut.

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