19. Oktober 2013

Ledar – High Camp

8 km 725 hm

Neuer Tag, neues Leiden. So fangen wir heute an. Pavels Unwohlsein hat sich zur echten Höhenkrankheit entwickelt. Um das zu erkennen, braucht man kein Doc sein, der Junge steht nicht nur etwas wackelig auf den Beinen, er sieht einfach Scheiße aus. So trennen sich erst einmal unsere Wege. Wir möchten unbedingt weiter – die Russen legen einen Tag Pause ein, vielleicht fahren die beiden sogar zurück nach Manang, um sich besser zu Akklimatisieren.

Uns fehlt die Zeit, noch einen Tag zu bleiben, außerdem möchten wir möglichst bald dem schlechten Wetter entfliehen. Hier oben bedeutet das in der Kälte essen, in der Kälte schlafen, in der Kälte sitzen, in der Kälte frieren. Wir wollen das alles hinter uns lassen und vor allem den Thorong La bezwingen! Bevor wir soweit kommen müssen wir uns anders wärmen. Das geschieht vornehmlich beim biken und beim bike tragen. Ja, ab heute ist eher tragen angesagt. Anders lässt es der Trail nicht mehr zu. Jetzt sind die Wander nicht mehr neidisch auf unsere schnellere Reisgeschwindigkeit, sie fragen sich wohl eher:

„Warum? Was bewegt diese Leute dazu, ihre Räder auf ihren Schultern die Berge hochzuschleppen?? Freaks …“

Hinzu kommt leichter Schnee und die Höhe. Zwangsweise laufen wir feinste Singletrail-Abschnitte. In niedrigeren Lagen wären diese absolut fahrbar, aber nicht in dieser Höhe. Uns geht die Luft aus. Dafür belohnt uns die Landschaft mal wieder mit unvergesslichen Ausblicken.

Auf diese Art erreichen wir bald Thorong Pedi in 4.450 Metern Höhe wo wir uns mit Nudelsuppe stärken und dabei die Aussicht genießen. Mental bereiten wir uns auf den kommenden Abschnitt vor. 0% Fahrbar, eher klettern als Wandern. 1,5 Stunden soll die Tortour dauern, während wir unsere Räder non-stop auf unseren Schultern balancieren müssen. Es ist schwer zu beschreiben, wie uns die Höhe zusetzt. Wir gehen so bepackt im Schneckentempo (oder langsamer) vielleicht 20 Schritte und müssen uns darauf erst einmal ausruhen, bevor wir weitere 20 Schritte gehen können. Wir fühlen uns mindestens 50 Jahre älter als wir aussehen. (obwohl wir das im jetzigen Zustand schlecht beurteilen können, wahrscheinlich sehen wir auch mindestens 50 Jahre älter aus …)

Irgendwie schaffen wir es aber! Hurra! Erleichtert und glücklich kommen wir im High Camp auf 4.800 Metern an. Ehrlich gesagt fragen wir uns, wie wir das eigentlich geschafft haben. Wir sind uns aber einig, dass es eher eine Kopfsache war – und ein kleiner Kampf mit der dünnen Luft. Physisch war es – eigentlich – gar nicht so schlimm. Oder lässt der Sauerstoffmangel unsere Sinne schwinden?
Egal, wir haben heute zwei wichtige Aufgaben bewältigt:
- Nummer eins: Wir haben diese insgesamt sehr anstrengende Etappe beendet
- Nummer zwei: Falls uns die Höhenkrankheit in der kommenden Nacht keinen Strich durch die Rechnung macht, haben wir einen guten Ausgangspunkt für die kommende Etappe über den Pass. Viele Wanderer wählen nämlich das etwas tiefer gelegene Thorong Pedi als Ausgangspunkt für die Passüberquerung. Dort sind sie zwar nicht so lange der Höhe ausgesetzt, wir dafür haben den besseren Startpunkt!

Stichwort Wanderer; je höher wir kommen, desto mehr Fans bekommen wir. Die Trekking-Freunde feuern uns an oder jubeln uns zu. Viele schütteln einfach nur den Kopf, anerkennend geben sie zu, dass sie es nie geglaubt hätten, dass wir das wirklich durchziehen. Bei uns kommt das als willkommene mentale Unterstützung an und gibt uns viel Kraft für den weiteren Weg.

Abgesehen von diesen schönen Aspekten suchen wir im High Camp vergebens nach einem beheizten Raum zum aufwärmen, es gibt im gesamten Camp keinen Ofen. Brrrr. Verständlich, wer will diesen Ort, so hoch oben, schon mit Brennmaterial versorgen? Wie gehabt wärmen wir uns mit warmen Essen von innen. Draußen wird der Schnee derweilen von heftigen, eisigen Windböen begleitet …

Bevor wir uns in unsere Daunenschlafsäcke verkriechen, messen wir schon sagenhafte 3°C in unserm Zimmer. Wir befürchten, dass sich unsere Camelbacks heute Nacht in Eisblöcke verwandeln. Das kann ja eine gemütliche Nacht werden.

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