8. Oktober 2013

Todke - Arugath - Gorkha

71 km 1.550 hm

Nach einer relativ ruhigen Nacht – wenn man bedenkt, dass wir alles (wirklich alles) der übrigen Mitbewohner des Hauses mitbekommen haben, als würden diese in unserem Raum schlafen – werden wir vom Rauch aus der Küche geweckt: Unser Raum liegt über der Küche, die, typisch für Nepal, keinen Rauchabzug besitzt. Es wird über offenem Feuer gekocht und gebraten. Das Ergebnis fand sich also in Form von Rauch in unserem Raum, also in unseren Schlafsäcken und Klamotten wieder… Yeah! Lagerfeuerstimmung im Schlafzimmer. Erstaunlich, dass die Nepalesen so ihre Küchen (und somit ihre Lungen) tagein tagaus komplett verqualmen. Eben diese Begebenheit hört man der „Mama“ unserer Bleibe auch an. (Selbst Tom Waits würde beim erklingen ihrer Reibeisen-Stimme vor Neid erblassen.)

Nach diesem merkwürdigen Start in den Tag freuen wir uns auf ein Frühstück, sodass wir gestärkt losradeln können. Unser „Frühstück“ besteht leider aus ein paar Crackern und zwei Tassen schwarzen Tee. Das macht unseren merkwürdigen Start in den Tag komplett. Wir fahren hungrig aber guten Mutes los. Entgegengesetzt unseres ursprünglichen Plans, über einen Bergrücken weiterzufahren, kommen wir den Tipps der Leute von Todke nach und fahren erst einmal bergab. Das hört sich leichter an als es sich darstellt: der Weg ist so abenteuerlich, dass dieses zu einer schwierigen Aufgabe wird. 700 hm geht es runter auf dem schlammigen, steinigen, total zerfurchten Weg. Oft sind die Steine so locker und groß, dass unsere Fahrweise eher an Rodeo und nicht ans Mountainbiken erinnert. Sogar Jeeps und LKW teilen sich die Straße mit uns. Aber die ächzen noch mehr als wir. Mit den Bikes sind wir eh bedeutend schneller als die vierrädrigen … Auch wenn es nicht einfach ist, je weiter wir fahren desto höher ist der Spaßfaktor.

So fahren wir viel zu weit – wir hätten einen früheren abzweigenden Weg nehmen müssen. Egal, so erreichen wir ein Dorf und bekommen unser zweites Frühstück! Danach also wieder zurück (bergauf! uff!) und weiter Richtung Arugath. Weil es mit unserer Pfadfinderei nicht ganz so weit hergeholt ist, sind wir einige Male auf die Hilfe der Anwohner angewiesen. So lernen wir das ein oder andere kleine Dorf kennen und kommen unserem Ziel immer näher. Auf Schleichwegen erreichen wir unsere erste Hängebrücke! Wir fühlen uns wie echte Abenteurer!

Im nächsten Ort machen wir an einer Ecke halt, weil uns ein interessant aussehender Laden auffällt. Ein junger Gewürzhändler mischt Gewürze in einer Gewürzmischmaschine zu fertigen Mischungen. Die Gewürze dazu stammen aus biologischem Anbau seiner Eltern, wie er uns erklärt. Und eine Gewürzmischmaschine hatten wir vorher noch nicht gesehen. Wieder etwas dazugelernt.

Unser Weg führt weiter über holprige Straßen, schlammige Straßen, steile Straßen. Hinzu kommt die sengende Mittagssonne, die uns den Rest gibt. Vollkommen erschöpft und erleichtert erreichen wir das nette Örtchen Arugath. Über eine weitere Hängebrücke fahren wir in den malerischen Ortskern und dort durch enge Gassen mit vielen netten Läden. Sogar ein paar Touristen sind wieder zu sehen. Arugath lädt zum bleiben ein. Und eigentlich sollte hier unsere Tages-Etappe zu Ende sein. Sollte …

Aber wir beschließen weiterzufahren. Was uns dazu bewegte? Dazu braucht es folgende Zutaten: zwei Verrückte, ein Gedanke und eine gesunde Portion Selbstüberschätzung. Trotz fortgeschrittener Zeit, es ist mittlerweile 3 Uhr nachmittags, fühlen wir uns nach dem Mittagessen so fit, dass wir beschließen „es nach Gorkha zu schaffen“. So würden wir zwei Etappen an einem Tag fahren und dadurch einen Tag Radpause “erkaufen”. Natürlich ist das Ergebnis verlockend, nur fährt man hier, in dieser Gegend keine 30 km mit dem Rad, bis es um 18 Uhr dunkel wird.

Trotzdem sind wir bereit und fragen ein paar Leute nach der Topographie und der Wegebeschaffenheit. Ein paar (recht widersprüchliche) Aussagen könnte man so zusammenfassen: „Zuerst geht’s recht steil bergauf. Danach – eher – lange bergab.“ Das würden wir schon schaffen. So sah das Ganze dann aus: Wir kämpfen uns bergauf, eine Ewigkeit. Danach geht es nicht wirklich bergab. Die Strecke hält weiterhin knackige Anstiege für uns parat. Die Schatten werden länger, schließlich verschwindet die Sonne komplett und wir fahren in der Dämmerung weiter. Als das Licht nicht mehr ausreicht und wir den Weg nicht mehr erkennen können, müssen uns unsere Stirn-(Lese-)Lampen den Weg weisen. Ein relativ leichtsinniges Unterfangen, bedenkt man die Straßenverhältnisse … Aber zum Glück sehen wir ja nicht so viel davon. Um keinen Sturz zu riskieren, fahren wir vorsichtig, recht langsam durch die Nacht. Es ist wirklich stockfinster. Straßenbeleuchtung gibt es hier natürlich keine, dafür sehen wir 10000e von Sternen.

Zum zweiten Mal an diesem Tag sind wir völlig am Ende, als wir Gorkha erreichen. Glücklich finden wir in der Stadt noch ein Zimmer und freuen uns über unseren teuer erkauften Bike-freien morgigen Tag!

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