7. Oktober 2013

Trishuli Bazaar – Todke

35 km 1.400 hm

Was für ein Tag. Tod, Mordschlag und die unendliche Schönheit der Mutter Natur. Weil es nur 35 km bis Todke sind, planen wir, die nächste Etappe gleich dranzuhängen, 70 km sollten wir an einem Tag schon schaffen. Falsch gedacht.

Aber beginnen wir am Morgen. Alles fängt relativ entspannt an. Trishuli lassen wir schnell hinter uns, auf einer Bergstraße, die uns die nächsten zwei Tage den Weg weisen wird. Schon von Anfang an zeigt sie uns allerdings die Zähne, in Form ihrer Beschaffenheit: Löcher, Steine, Schlamm und teilweise (eigentlich immer?) eine Steigung, die uns die letzten Körner kostet. Knochenarbeit hoch Zehn. Nicht zu vergessen: Unser gesamtes Hab und Gut tragen wir in Form von zusätzlichen Kilos auf unseren Rücken. Aua. Aber wir wollten es so. Und wir sind uns sicher, denn in Frage stellen wir unser Vorhaben nicht eine Sekunde lang.

Nice Tattoo, Mr.!

Wieder einmal entschädigt die Schönheit der Natur für alle Schmerzen. Fast surreal wirkt die Landschaft auf uns. Die tropische Berglandschaft schreit uns förmlich an, mit allem was sie zu bieten hat. Und immer dazwischen: unendliche Reisterrassen, jeden Quadratzentimeter bis in die höchsten Lagen ausnutzend. Bekommen wir unsere Münder vor lauter staunen zu? Nein. „Zivilisation“ zeigt sich nur noch in Form von kleinen Bergdörfern, eigentlich sind es nur ein paar Häusergruppen, die sich entlang unseres Weges aufreihen.

Je höher wir uns schrauben, desto weiter können wir unsere Blicke über die Berge und Täler schicken. Proportional dazu wird unsere körperliche Verfassung immer schlechter. Fahren. Schieben. Fahren. Schieben. Fahren. Schieben. Fahren. Schieben. Aber immer mit dem Blick in die Landschaft. Das entschädigt!

Irgendwann, als es wieder zu steil zum Fahren ist und wir unsere Bikes den Weg hochschieben, schließt ein kleines Mädchen zu uns auf. Nachdem sie einige Meter neben uns hergelaufen ist, entpuppt sie sich als Schwarzfahrerin: Auf Stephan’s Rad:

„Sie packte mich einfach am Arm und zog sich rauf! Dann ließ sie sich samt dem Rad von mir schieben. Ich seh’ gleich Sterne, wenn ich die noch lange mit nach oben schleppen muss!“

– wir sind einfach gar. Lachen müssen wir trotzdem.

Die heutige Etappe kostet wesentlich mehr Zeit, als gedacht. Eine kleine Panne am Antrieb von Stephans Rad lässt uns nervös werden. Vor allem, als wir uns kurzerhand verfahren. Das falsch abbiegen kann in dieser Gegend mehr oder weniger katastrophale Folgen haben: Wir schlagen einen Weg ein, der bergab führt. Steil bergab, sehr steil bergab. Bis wir merken, dass eben dieser Weg der falsche ist zerrt es ziemlich an den Nerven, den Weg zurück zu fahren. Oder eben zu schieben, weil der Weg so steil ist.

Irgendwie schaffen wir es zu unserem Ziel, dem kleinen Dorf Todke. Die 35 km haben wir so gerade von Einbruch der Dunkelheit geschafft. Und wir wollten heute das doppelte fahren? Diese Idee wird uns förmlich um die Ohren gehauen, diese Etappe kommt uns eher wie ein gehöriger Arschtritt vor. Wir haben für diese kurze Strecke 7 1/2 Stunden (!!!) gebraucht.

Wir bleiben also in Todke, dem total verschlammten Dorf Todke. Aber wir sind froh, noch im Hellen eine Bleibe gefunden zu haben. Was diese Bleibe angeht, bestätigen sich Krzysztof’s schlimmste Befürchtungen und wir müssen unsere Komfortzone meilenweit Verlassen: Unser Zimmer lässt sich durch eine Luke betreten. Im Raum selbst stehen ist eine Fehlanzeige, nur gebückt können wir unser Lager beziehen, welches aus zwei Betten besteht, die jedoch eher an Tische erinnern. (Die „Matratze“ besteht aus Brettern.) Trotzdem strahlt unser Zimmer mit dem Lehmboden eine gewisse Gemütlichkeit aus. Was unsere Komfortzone angeht, bleibt jedoch noch zu erwähnen, dass es kein fließendes Wasser in Todke gibt. Nach der anstrengenden Etappe wäre eine Dusche genau das Richtige gewesen. (Unser Körpergeruch unterstreicht das doppelt.) Der einzige Luxus, der uns gewährt wird ist das Klo, welches wir etwa 100 Meter vor dem Dorf durch Schlamm watend erreichen können.

Aber egal, wir sind absolut zufrieden. Mit unseren Gastgebern sitzen wir abends beim Essen zusammen und fühlen uns einfach nur pudelwohl. Auch wenn es gewisse Verständigungsschwierigkeiten gibt, auch wenn wir bestimmt 10 Meilen gegen den Wind riechen: wir sind glücklich.

Fernab von jeglichem Touristenbetrieb bietet uns dieses Dorf einen etwas tieferen Einblick in das ländliche Leben in Nepal. Auch wenn es auf dem ersten Blick recht arm oder traurig erscheint, widerlegt man diesen Eindruck schnell wieder. Die Menschen sind äußerst entspannt und es wird viel zusammen gelacht. Was hat das also mit „arm“ oder „traurig“ zu tun? Wir genießen den Abend mit „Mamas“ gutem Essen. Ein echter Tag in Nepal. Bitte, mehr davon!

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